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Was mich die Zinnie lehrt

Neulich beim Garteln hatte ich eine Erkenntnis. Meinen Blumen sei Dank. Es ist nicht das erste Mal, dass mich die Natur etwas übers Menschsein lehrt. Diesmal fasziniert mich die Zinnie. Warum?

Nun, springen wir zurück in die Vergangenheit. Genauer gesagt in den noch kalten und grauen Jänner. Für leidenschaftliche Gärtner ist diese Zeit etwas „zach“. Draußen gibt es absolut nichts zu tun und der letzte plastikerne Weihnachts-Elch ist bereits im Schrank verstaut. Also habe ich in gärtnerischer Vorfreude und Ungeduld heuer bereits Ende Jänner Aussaaterde gekauft und einige Samen. Darunter auch Zinnien. Euphorisch habe ich im Mini-Gewächshaus meine künftige florale Pracht ausgesät und es zwecks Wärme neben den Heizkörper gestellt. Täglich gegossen, gut zugeredet und als es die Temperaturen dann zuließen, morgens auf den Balkon rausgetragen und abends wieder rein getragen. Ich meinte es wirklich sehr gut mit ihnen.

Einige Monate später dann die Enttäuschung. Kleine, mickrige Pflanzen – die trotz meiner Bemühungen – sehr wenig gewachsen waren. Doch, es gab Rettung für meine Sehnsucht nach üppiger Flora: Die Gärtnerei des Vertrauens hatte schon eine beachtliche Auswahl an Kräutern, Gemüse und wunderbar blühenden Blumen. Endlich ist der Frühling da. Hurra. Ich fand auch Zinnien. Zigmal größer und pompöser als mein Wohnzimmer-Gewächshausversuch und schon farbenfroh mit den ersten Blüten in leuchtendem gelb, orange und rot. Vermutlich vorgezogen im klimatisierten Gewächshaus mit super Nährstofflösung und künstlichem Sonnenlicht. Also nix wie rein in den Kofferraum und ab damit in den Blumentrog. In den Ecken blieb dann noch etwas Platz, da dachte ich mir, ich setze meine selbst gezogenen Zinnien-Pflänzchen dazu. Als Lückenfüller quasi. Wenn sie was werden, dann ist es Recht, wenn nicht, dann schmeiß ich sie halt auf den Kompost.

Und nun, nach einigen Wochen und heißen Sommertagen die große Überraschung. Vielmehr: Der Triumph! Meine einstigen Zwergzinnien überragen die vom Gärtner bei Weitem. Sie recken ihre Köpfe in die Höhe und sind zu stattlichen, kräftigen Riesen-Pflanzen geworden. In mir große Freude und die Erkenntnis, dass es manchmal einfach nur Zeit und Geduld braucht. Und ein künstliches Beschleunigen-Wollen nichts bringt oder manchmal auch nicht möglich ist.

In einer Welt, in der „schneller, weiter, höher, … verlieren Sie 10 Kilo in nur 3 Wochen … im 2-Tages-Seminar zu persönlicher Höchstleistung …“ als erstrebenswert gilt, in der vieles als Zeitverschwendung abgetan wird, genau da finde ich, dass es sich lohnt, manchen Dingen einfach Reife-Zeit zu geben.

Sei es für eine Zinnie oder ein persönliches Ziel oder für ein schon lange im Kopf geplantes Projekt. Es darf auch einfach mal liegen bleiben und im Verborgenen reifen. Natürlich kann es auch mal notwendig sein, mit kleinen Düngergaben nachzuhelfen, aber dann wächst die Pflanze wieder in ihrer Geschwindigkeit. Um mich schlussendlich mit prächtigen Blüten zu belohnen.