Unsere Welt wird immer schneller, die Dinge werden unplanbar, wir müssen flexibler werden. Kommen euch diese Zeilen bekannt vor?
Dafür gibt es einen Fachbegriff in der Management-Literatur, den ich in letzter Zeit gefühlt hunderte male gelesen habe: VUCA. Dahinter verbergen sich die Begriffe Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Dynamisch muss alles werden, sich ständig ändern. Fixe Teams und starre Routinen sollen aufgebrochen werden. Innovation ist die oberste Maxime, um auf den Weltmärkten mithalten zu können. Change und Wandel müssen vorangetrieben werden. Rasch und schnell. Was heute noch gegolten hat, ist morgen out.
Total in und hip sei es, wenn niemand mehr einen fixen Schreibtisch hat, sondern sich in der noch hipperen „working-lounge“ täglich einen neuen Platz sucht. Das öffne den Geist und mache den Menschen offen für neue Ideen und bla bla bla … Ich spüre inneren Widerstand.
Was ist eigentlich so schlecht an Routine, Beständigkeit, Langsamkeit, Stabilität und Sicherheit? Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen genau diese Werte in ihrem Leben vermissen und irgendwie suchen. Wir finden die innere Mitte und Ausgeglichenheit im Yoga-Kurs. Politische Parteien, die mit dem Wort „Sicherheit“ in Wahlslogans werben, haben enorme Zuwächse.
Viele meiner Mitmenschen haben sehr routinierte Abläufe in ihrem täglichen Sein. Zum Frühstück das gleiche Müsli über Jahrzehnte, die Stammtisch-Runde am Donnerstag. Zum Mittagstisch gehen wir immer mit denselben Arbeitskollegen in die Kantine, wählen häufig das Einser-Menü und setzen uns bevorzugt zum Tisch in der linken Ecke beim Fenster. In den Ski-Urlaub fahren wir schon immer dorthin, weil der Wirt uns schon seit unserer Kindheit kennt und zur Begrüßung gleich mal ungefragt den Lieblingsdrink serviert.
Vielleicht ist der Mensch viel mehr Gewohnheitstier, als wir uns eingestehen. Vielleicht würde es uns allen guttun, dem „Alt-Bewährten“, dem Beständigen, den Routinen, Traditionen und Ritualen wieder mehr Platz und Anerkennung einzuräumen. Vielleicht würde es uns ein Gefühl von innerer Sicherheit und Stärke geben, dass Dinge auch mal so bleiben dürfen wie sie sind. Uns verlassen können auf Beziehungen, auf Abläufe, auf Wiederholungen. Das kann unglaublich entspannen. Und wenn wir gelassen und entspannt sind, dann wird es uns vermutlich gut gelingen, flexibel und selbstsicher auf Veränderungen reagieren zu können beziehungsweise kreativ und aktiv an Neues heran zu gehen. Denn verändern tut sich diese Welt ohnehin. Und das schon seit es sie gibt.