„Stabil bauen! Hat der Papa gesagt.“ Mit ernster Miene wies mich mein 4jähriger Sohn beim Lego spielen darauf hin. Innerlich musste ich laut auflachen. Kenne ich doch den Vater des Sohnes schon mehr als 20 Jahre. Bei diversen Bauprojekten in Haus und Garten wird enormer Wert auf Stabilität gelegt. Die Belastungsgrenze des jeweils Geschaffenen könnte locker ums 10fache überschritten werden, sämtliche TÜV-Überprüfungen und Elchtests würden mit Bravour bestanden. Da wird eine Kinderschaukel schon so konstruiert, dasss locker zwei Sumo-Ringer darauf Platz nehmen können. Eine Generation davor, also der Opa des Enkels … „same here“. Was einmal gebaut wird, hält für die Ewigkeit und darüber hinaus.
Dies führte mich unweigerlich zu der Frage: Werden wir irgendwann wirklich so wie unsere Eltern? Obwohl wir alle eine Phase durchlebten, in der wir gaaaaanz anders werden wollten. Also echt ganz anders. Ich kann mich noch gut erinnern an die Zeit, in der Dreadlocks meinen Kopf zierten: ALLES würde ich einmal anders machen. Nun, mit fortschreitendem Älterwerden endecke auch ich mehr und mehr Facetten an mir, die nicht von irgendwo kommen. Häufiger als mir lieb ist. Mama, Papa, Oma … – alle da! In guten wie in schlechten Zeiten.
Unbewusst und nebenbei übernehmen wir also unreflektiert Denk- und Verhaltensmuster von den Menschen, die uns beim Aufwachsen begleiten. Schon von klein an. Und diese scheinen dann manchmal uns zu übernehmen. Wie eine Zauberhand, die uns führt und lenkt. Das ist natürlich ganz wunderbar, wenn es um förderliche Eigenschaften geht. Aber nicht mehr ganz so toll ist es, wenn es sich um Muster handelt, die uns selbst an etwas hindern oder der innere Kritiker uns beschimpft. Dann ist es an der Zeit innezuhalten und zu überprüfen: Stammt dieser Gedanke nun wirklich von mir? Oder passt der auch ganz gut zu einer Person aus meiner Ahnengalerie? Will ich diesen Geist fortführen oder eigentlich was anders machen?
Ich kann mittlerweile schon schmunzeln, wenn aus mir wieder die Oma spricht. Meistens sage ich mit etwas Demut „dankeschön“, aber ab und an erlaube ich mir, die Verhaltensweise in einen imaginären Mistkübel zu schmeißen. Ich bin schließlich doch ich!